Sehr geehrte Verantwortliche in der Landesregierung,
liebe Abgeordnete des Landkreises Stade in der Landesregierung,
wir verfolgen die derzeitigen Diskussionen um den Kitabetrieb in Corona- Zeiten aufmerksam und empört.
Wir müssen Ihnen mitteilen, dass wir nicht länger bereit sind, politisch und wirtschaftlich motivierte Beschwichtigungsphrasen hinzunehmen.
Auch wir lesen Studien und Statistiken, hören Fachleuten aus Biologie und Medizin gut zu und sind durchaus in der Lage, Informationen auszuwerten. Wir stehen in einem regen fachlichen Austausch mit den Kolleg*innen und Einrichtungen.
Wir wissen, dass Kitas relevante Infektionsorte sind – ebenso wie Schulen. Wir wissen und erleben vor Ort, dass Kinder sich infizieren, dass sie diffuse, atypische, diskrete Symptome entwickeln, die häufig nicht erkannt werden und die so Infektionen weitertragen bis es zu spät ist.
Erzieher*innen sind als Berufsgruppe entgegen derzeit oft wiederholten Behauptungen besonders stark von Infektionen betroffen.
Man kann Statistiken so lange rechnen, bis die Ergebnisse „passen“, man kann Studien so und so deuten, aber eines ist unbestreitbar: Wir können uns nicht schützen! Aber Sie könnten es!
Die Kitas haben in der Regel keine Lüftungssysteme (Warum nach fast einem Jahr Pandemie eigentlich noch nicht?), und wir Fachkräfte arbeiten, zum Wohl der Kinder und um ihre seelische Stabilität zu bewahren, ohne Masken in großen Menschengruppen.
Einem Grundschulkind kann man schon langsam beibringen, Distanz zu wahren, auch wenn es schwer ist.
Die uns anvertrauten Kinder können keinen Abstand halten, sie brauchen und bekommen täglich oft acht Stunden und mehr Nähe, Zuwendung und engen Kontakt von uns. Sie niesen uns an, stecken sich ihre Finger in den Mund und fassen uns dann an. Sie werden von uns gewickelt und gefüttert, wir putzen ihnen die Nase und trocknen ihre Tränen, sie sitzen auf unserem Schoß und schlafen in unseren Armen. Das alles gehört neben vielen anderen Aufgaben zu unserer Arbeit und wir machen es gerne.
Aber wir erwarten, dass diesen Umständen endlich konsequent Rechnung getragen wird!
Wir wollen nicht gesagt bekommen, dass man eine Krippengruppe mit Kleinkindern im Winter problemlos alle 20 Minuten lüften kann und damit eine mögliche Virenbelastung unschädlich macht. Das stimmt nicht! Wer sich auch nur einmal mit einem guten Ingenieur darüber unterhalten hat, der weiß das. Das entspricht ungefähr der Empfehlung, bei einem Atombombenangriff unter einem Tisch Schutz zu suchen.
Wir brauchen keine Dankeschön-Briefe der Regierung. Wir empfinden sie als Hohn und Heuchelei, denn die Untätigkeit und die Entscheidungen der Politik für unseren Bereich sprechen eine andere Sprache.
Wir werden ausgenutzt und wissentlich einer steigenden Gefahr ausgesetzt. Auch im Szenario C, auch in den Notgruppen.
Wir sind Menschen mit einem hohen sozialen Verantwortungsgefühl – Mütter und Töchter, Ehemänner und Enkel, die Angst haben. Angst uns unbemerkt zu infizieren und selbst zu erkranken. Und noch mehr Angst haben wir, diesen Virus weiter zu tragen in unsere Familien – zu Angehörigen, die wir pflegen, zu kranken und schwachen Familienmitgliedern.
Wir brauchen beherztes und kompetentes Handeln, und zwar schnell.
Wir fordern umgehend regelmäßige Schnelltest, zweimal die Woche, deren Organisation die Gesundheitsbehörden übernehmen (wir sind ja kein medizinischer Bereich und haben daher keine Ressourcen), deren Kosten das Land trägt, nicht der Träger der Einrichtungen, nicht die Kommunen.
Wir fordern, dass Mitarbeitende in Kitas, die im Gegensatz zu fast allen anderen Berufsgruppen keine Chance haben, ihre Arbeit mit Masken und Handschuhen zu tun, in der Impfreihenfolge vorgezogen werden.
Wir haben Anerkennung in Form von Lüftungsanlagen für die Gruppenräume verdient.
Und ein Letztes: Wir begleiten und unterstützen unsere Familien seit 10 Monaten nach Kräften, damit sie durch diese Zeiten kommen. Wir haben neue Ideen entwickelt und neue Wege beschritten, um sowohl die großen Notgruppen und deren Familien als auch die Familien zuhause zu begleiten. Wir haben unsere Arbeit angepasst und intensiviert, um die Kinder weiter gut zu bilden, zu bestärken und zu beschützen. Das liegt uns am Herzen. Man muss uns nicht sagen, dass Kitas auch in Corona- Zeiten Bildungsorte bleiben müssen. Was bilden sich Politiker da ein!
Wir haben die Arbeitshilfe des Landes dazu gelesen und wenig bis nichts gefunden, was wir nicht längst umgesetzt haben. Wir brauchen keine „Verpflichtung“ auch die Familien zuhause zu betreuen. Das so in Pressetexte zu schreiben ist ein Faustschlag ins Gesicht der Fachkräfte, deren Arbeit in diesem Jahr täglich auf den Kopf gestellt wurde.
Unser Berufsstand kämpft bereits seit Jahren mit einem schlimmen Fachkräftemangel, der uns belastet und auslaugt und unter dem die Qualität und Quantität der Arbeit in den Kitas leidet.
Seien Sie sicher, dass das, was jetzt passiert nicht dazu beiträgt, dass sich junge, motivierte Menschen für unseren Beruf entscheiden.
Es wird aber dazu führen, dass in kürzester Zeit noch mehr Leitungen und Erzieher*innen erschöpft und entmutigt aufgeben und diesem Arbeitsfeld den Rücken zukehren.
Es braucht andere Signale, wenn in – hoffentlich besseren Zeiten – weiterhin Kinder in unseren Einrichtungen gut gebildet und betreut werden sollen. Sie stellen jetzt dafür täglich die Weichen. Und das unausweichlich.
Wir wollen auf dieses Schreiben keinen Antwortbrief und keine Vertröstungen, sondern ein schnelles Handeln und konkrete Maßnahmen. Wir sind es wert. Und unsere Arbeit auch.
Die Fachkräfte der Kindertagesstätten
für die Sie verantwortlich sind –
aus den evangelischen Kindertageseinrichtungen
Kita Arche, Stade
Kita St. Georg
Kita Cosmae-Spatzen, Stade
Johanniskita, Stade
Kita St. Wilhadi, Stade
Kita Hollern-Twielenfleth
Kita Schatzinsel, Steinkirchen
Kita Lühezwerge, Steinkirchen
Kita Am Fleet, Jork
Kita Hand in Hand, Jork
Kita Jorkerfelde, Jork
Die Regenbogenkinder, Estebrügge
Kita St. Nikolai, Borstel … und viele mehr
Kirsten Wilhelmy, Kita-Leitung in Stade