Kita-Finanzierung in Hannover: Irrsinn?

Der Stadtkirchenverband Hannover hat gestern die Unterzeichnung eines fertig ausgehandelten Vertrags mit der Stadt Hannover förmlich in letzter Sekunde auf Eis gelegt. Noch vorgestern galt: für die Jahre 2014 bis einschließlich 2019 wollte man eine Vereinbarung zur Refinanzierung der 147 Kita-Gruppen schließen, die zu weiteren Defiziten bei der Kirche und untertariflicher Bezahlung der Beschäftigten geführt hätte.

Die Kirchengewerkschaft Niedersachsen ist froh, dass diesem Irrsinn Einhalt geboten wurde. Nun besteht die Möglichkeit, zu einem fairen Vertragsabschluss zu kommen.

Der derzeit geltende Vertrag hat eine jährliche Unterfinanzierung von über 2 Millionen EUR verursacht. Unsere Berechnung zum aktuellen Vertragsentwurf ergibt ein strukturelles Defizit zwischen 500.000 EUR und 1,3 Millionen EUR pro Jahr. Dass sich die Kirche zum dritten Mal in Folge in den Verhandlungen mit der Landeshauptstadt auf einen arme-Leute-Standard herunterhandeln lässt, ist völlig unerklärlich.

Die hier verlinkte Entwurfsfassung des „Hannoververtrags“ war Grundlage der Diskussion auf der Sitzung des Stadtkirchentags des Stadtkirchenverbands Hannover am Mittwoch, 18.03.2014. Es geht in der Vereinbarung um die Finanzierung von 41 Kindertagesstätten in der Trägerschaft der evangelischen Kirche, betroffen sind etwa 900 Beschäftigte.

Um nur einige Probleme zu benennen:

Die Summe von 598 EUR pro Jahr und Gruppe für Vertretungskräfte reicht bei Weitem nicht aus, um im Krankheitsfall Ersatzkräfte entsprechend der Erfordernisse des niedersächsischen Kindertagesstätten-Gesetzes (KitaG) zu finden. Wegen unzureichender Vertretungsmittel werden KollegInnen öfter in der Gruppe allein gelassen, was nicht den gesetzlichen Standards entspricht und unmittelbar zu einer Überbeanspruchung und weiteren Erkrankungen führt.

Die Festlegungen zur Refinanzierung der sogenannten „Zweitkräfte“ in den Gruppen sind völlig unverständlich: In § 4 des bestehenden KitaG ist fest gelegt, dass in jeder Gruppe zwei ErzieherInnen eingesetzt werden sollen. Es kann aber auch eine Erzieherin als Erstkraft zusammen mit einer Kinderpflegerin oder Sozialassistentin den Gruppendienst verrichten.

Die Stadt Hannover erstattet der Kirche nur das Gehalt einer Kinderpflegerin bzw. einer Sozialassistentin. Das hat zur Konsequenz, dass für die Kinder in evangelischen (aber auch katholischen) Einrichtungen eigentlich nur eine „zweitklassige“ Personalausstattung vorgehalten werden kann.

Die Kirchen, die – sicher auch aufgrund schlechter Verhandlungsführung – keine bessere Refinanzierung durchsetzen konnten, gleichen dieses Manko auf Kosten ihres Personals aus: In kirchlichen Einrichtungen werden häufig staatlich anerkannte ErzieherInnen nur mit einem Arbeitsvertrag als SozialassistentIn ausgestattet.

Hier handelt es sich um ein Hannover-spezifisches Problem. Während in weiten Teilen Niedersachsens alle Kitas trägerunabhängig fair behandelt werden, werden in Hannover kirchliche und frei-gemeinnützige Träger wie die AWO deutlich schlechter gestellt als die stadteigenen Einrichtungen. Die Kirchengewerkschaft Niedersachsen fordert die Stadt Hannover auf, hier Kostentransparenz herzustellen und eine gerechte Finanzierung für alle Kitas zu schaffen. Gleichzeitig fordern wir die Kirche auf, nicht mehr defizitäre Verträge auf dem Rücken ihrer Beschäftigten abzuschließen.

Wir empfehlen allen Erzieherinnen und Erzieher, SozialassistentInnen und KinderpflegerInnen, der Kirchengewerkschaft Niedersachsen beizutreten. Wir werden versuchen, wenn Ihr uns ein starkes Mandat erteilt, zukünftig direkt an den Kostenverhandlungen beteiligt zu werden. Hier findet Ihr ein Eintrittsformular.

 

Der auf Eis gelegte Entwurf des Vertrags zwischen Stadtkirchenverband Hannover und der Stadt Hannover zur Refinanzierung der Kindertagesstätten: http://53851051.swh.strato-hosting.eu/Wordpress/wp-content/uploads/2014/03/140221-Entwurf_Hannoververtrag_2014.pdf

 

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